Ein schönes Produkt ist er in jedem Fall, der Audioquest Nightowl, und makellos verarbeitet. Im Gegensatz zur ersten Generation des Audioquest Nighthawk kommt der Nightowl ganz in Carbon-Optik daher, anstatt das Thema „Holz“ noch einmal im Aussehen aufzugreifen.
Auch der Grill ist nun verschwunden und ist gegen eine Gehäuse-abschließende Abdeckung ersetzt. Ansonsten halten die Kabel-Spezialisten bei der Konstruktion, wie auch bei den verwendeten Materialien, am Konzept des Nighthawk fest.
Deshalb besteht auch beim Audioquest Nightowl das Gehäuse der Ohrmuscheln aus so genanntem „Liquid Wood“, welches aus eingeschmolzenen Holz-Pellets gewonnen wird. Letztere sind überwiegend Abfallprodukte aus der Papierherstellung und somit ökologisch nachhaltig. Dafür gibt’s den grünen Daumen für Audioquest.
In festem Zustand fühlt sich das Flüssigholz ähnlich wie herkömmlicher Kunststoff an, soll jedoch über deutlich bessere akustische Eigenschaften verfügen.
Die Aufhängungen der Ohrmuschel sind ebenfalls eine kleine Besonderheit. Sie sind nicht statisch, wie bei anderen Kopfhörern, sondern in einer Art Spinne befestigt, wie wir sie von Kondensatormikrofonen kennen.
Dadurch ist das Gehäuse des Audioquest Nightowl akustisch ein Stück weit vom Tragbügel entkoppelt. Die Gabeln am Bügel und der Bügel selbst bestehen aus Edelstahl, letzterer ist ummantelt.
Das Kopfband des geschlossenen Over-Ear-Kopfhörers besteht an der Oberseite aus Leder, an der Unterseite (also der Auflagefläche) aus Wildleder. Bei den Ohrpolstern kann der Hörer zwischen einer Variante aus Protein-Leder und einer Variante aus weichem Stoff wählen.
Auch sonst zeigt sich Audioquest freigiebig. Im Lieferumfang sind neben den zwei Paar Ohrpolstern ein Softcase zum Transport, zwei Stoffbeutel, ein hochwertiges Audioquest-Kabel und ein Adapter auf 6,3-mm-Klinke enthalten.
Im Inneren der Gehäuseschalen setzt Audioquest auf seine vom Nighthawk bekannten 50-mm-Treiber mitMembranen aus Biozellulose. Diese sind nicht direkt aufs Ohr gerichtet, sondern sitzen leicht schräg, um von vorn einfallenden Schall zu simulieren. Gegen Gehäuse-Resonanzen geht Audioquest mit einer gern im Lautsprecherbau angewandten Technik vor: Querverstrebungen.
Beim Aufsetzen des Audioquest Nightowl bemerke ich gleich den angenehmen Sitz. Auch bei längerem Tragen wird der Over-Ear-Kopfhörer nicht nennenswert unbequem, was nicht zuletzt dem moderaten Anpressdruck zu verdanken ist.
Die Geräuschdämpfung nach innen und außen liegt auf einem eher durchschnittlichen Niveau. Beim Wechsel von Protein- auf Stoffpolster fällt die passive Geräuschunterdrückung etwas stärker aus.
Unterschiedlich ist auch die Wärmeentwicklung: Während sich unter den Stoffpolstern die Hitze zu stauen scheint, vermittelt das Protein-Leder eine angenehme Kühle.
Dank der schwebenden Aufhängung der Ohrmuscheln dringen Trittgeräusche nicht allzu stark in die Ohren. Hier macht die akustische Entkopplung also gleich doppelt Sinn. Bei anderen geschlossenen Modellen übertönen die eigenen Schritte hin und wieder den Klang der Musik. Nicht so hier.
Das zum Audioquest Nightowl beigelegte Kabel ist für den Unterwegsbetrieb ausgelegt. Eindeutige Indizien hierfür sind die Länge von 1,3 Metern und die integrierte Fernbedienung mit Mikrofon. Der 3,5-mm-Stecker ist leicht angewinkelt und verfügt über einen kräftigen Knickschutz. Auch sonst macht das Kabel einen überaus robusten Eindruck und bleibt aufgrund seiner Stärke Knoten-frei.
An dieser Stelle ist es gut, einen Strich zu ziehen, vom Audioquest Nighthawk Abstand zu nehmen und sich einen vollkommen neuen Blick zu verschaffen. Auch der Audioquest Nightowl benötigt eine Eingewöhnungsphase, auch hier gibt sich der Klang unprätentiös.
Allerdings bietet er nicht direkt das, was man von einem Kopfhörer erwartet. Vielmehr vermittelt er eine von Lautsprechern bekannte Räumlichkeit. Dies zeigt sich besonders stark bei der Variation der Abhörlautstärken. Der Klang scheint in jeder Stufe – von flüsterleise bis hin zur Konzertlautstärke – klar, unverzerrt und detailreich.
Während andere Kopfhörer einem bei höheren Pegeln nur noch ins Ohr zu brüllen scheinen und teils physische Schmerzen verursachen, gibt sich der Audioquest Nightowl gemäßigt, jedoch keinesfalls leise.
So sind auch höhere Abhörlautstärken weitaus angenehmer als bei anderen Modellen und Ermüdungserscheinungen des Gehörs fallen tatsächlich deutlich geringer aus.
Unabhängig vom dargebotenen musikalischen Material zeigt sich der geschlossene Kopfhörer pegelfest. Ob nun hart verzerrte Gitarre, Jazz-Quartett oder Sinfonie-Orchester – der Klangeindruck bleibt transparent, ohne überspitzte Höhen oder wummernde Bässe.
Stets zu vernehmen sind Struktur und Definiertheit im Klang. Detailreichtum bleibt gewahrt, auch in leisen Passagen. Wie vom Hersteller angegeben zeigt auch das Wechseln der Polster seinen Effekt. Während das Protein-Leder den leicht klareren Eindruck mit etwas mehr „Kante“ zutage fördert, runden die Polster aus Stoff den Gesamtklang weiter ab.
Selten hatten wir den Eindruck, dass sich persönliche Klangeindrücke so sehr mit den beworbenen Eigenschaften decken können. Dabei schieben wir letztere bewusst vorerst beiseite, um unsere Tests unbefangen angehen zu können. In diesem Fall sahen wir unsere Eindrücke von Audioquest bestätigt. Mit anderen Worten: Der Audioquest Nightowl kann auf wunderbare Weise einen eigenen Charakter mit Transparenz verbinden. Physische Beschaffenheit und Klangeigenschaften geben hier keinen Anlass zur Kritik. Auch wenn der geschlossene Kopfhörer offenbar für unterwegs konzipiert ist, macht er am Arbeitsplatz und als Werkzeug für Tonschaffende eine ebenso gute Figur. Somit sichert sich Audioquest erneut eine unbedingte Empfehlung.
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