

„Computer HiFi“ ist eine Nische in der Nische, in der wir uns bewegen, die vielfältige Tuning-Maßnahmen erlaubt. Ist das persönliche Optimum seitens der Hardware erreicht, lohnt sich ein Blick über den Tellerrand auf die Wiedergabe-Software.
Natürlich kann man direkt aus Tidal streamen und das eigene Musikarchiv über iTunes organisieren. Wir sind jedoch stetig auf der Suche nach dem Zünglein an der Waage, das unsere Technik noch gefälliger macht.
Für Mac-Nutzer, die klanglich etwas mehr wollen und es leid sind jedesmal das Audio-Midi-Setup aufzurufen, um per Hand unterschiedliche Sampleraten einzustellen gibt es bereits eine ordentliche Auswahl an Software-Erweiterungen. Audirvana Plus, Channel D Pure Music und Sonic Studio Amarra sind die Top 3, wenn es um die audiophile Musikwiedergabe auf Apple Rechnern geht.
Zu den beliebtesten Audioplayern unter Windows zählen schon seit langem Foobar 2000 und das JRiver MediaCenter. Plattformübergreifend hat sich der HQPlayer von Signalyst durchgesetzt.
Während die Computer-Nerds der HiFi-Szene in den genannten Programmen ihre Offenbarung finden und den Funktionsumfang mit Zusatz-Plug-ins weiter ausreizen, löst das beim Anblick von Außenstehenden nur fragendes Kopfschütteln aus. Zurecht, wie ich meine, wenn man etwa die Benutzeroberfläche des HQPlayers mit der von iTunes vergleicht. Minimalismus in allen Ehren, Musik soll allerdings ein ganzheitliches Erlebnis darstellen: Kein Wunder also, das die Vinyl-Fraktion seit jeher ihre Nase vor den Computer-Audiophilen rümpft.
Die Software von Roon Labs ist mir zum ersten Mal auf dem CanJam 2015 aufgefallen. Bei genauerem Überlegen sind mir die Jungs von Roon auch schon vor den Messehallen der High End 2015 begegnet. Wie das nun aber so ist, lässt man sich nicht einfach von der Seite „anquatschen“ und so vergingen noch ein paar Monate, bis ich Roon für mich entdeckte.
Am Audioquest-Stand auf dem CanJam spielte der Audioquest Nighthawk (Test) am Kopfhörerverstärker Lehmann Audio Linear D und einem MacBook mit installierter Roon-Software. Das war für mich gleich ein doppeltes Aha-Erlebnis: einmal durch die Qualität der Wiedergabekette, zum anderen durch die Player-Software, die einmal nicht nach reiner Nerd-Spielerei aussah.
Zurück im Office habe ich mir gleich die Demo von roonlabs.com besorgt und ausgiebig ausprobiert. Erster Fallstrick: Schon die Demo-Version verlangt die Preisgabe der Kreditkarteninformationen. Na gut, schließlich lässt sich das kostenfreie Demo-Abo nach Ablauf von 14 Tagen wieder kündigen: Trotzdem bleibt ein fader Beigeschmack.
Nach etwas Recherche stellte sich heraus, dass es sich bei Roon nicht um ein Start-up von einer Reihe Unbekannter handelt. Die Software-Schmiede setzt sich aus ehemaligen Entwicklern von Sooloos zusammen. Die haben ihrerseits ein Musikserver-System für den audiophilen Anspruch entwickelt, das später zu Meridian überging. Der Musikcomputer für rund 5000 Euro ist noch heute unter dem Namen Meridian Control 15 erhältlich.
Eben dieses System gibt es jetzt in generalüberholter Form als Software-Lösung von Roon Labs. Und wenn man den Preis von 499 Dollar (rund 440 Euro) für die lebenslange Lizenz mit dem Preis eines Control 15 vergleicht, kommt einem die Software schon fast günstig vor. Wer lieber jährlich zahlt, legt für Roon 119 Dollar (ca. 105 Euro) hin – sämtliche Funktions-Updates sind inklusive.
Roon ist als Stand-alone-Software mit grafischer Benutzeroberfläche oder als Roon Server für Windows 64-Bit- und 32-Bit-Systeme sowie für Mac OSX erhältlich. Eine Linux-Version ist derzeit in Entwicklung.
Folgende Empfehlungen sprechen die Macher für die Computer-Hardware aus: Intel Core i5-/Ivy-Bridge-Prozessor, 4 Gigabyte Arbeitsspeicher und eine Displayauflösung von 1440 x 900 Pixel.
Zur Bedienung wird als Minimalanforderung eines der folgenden Systeme vorausgesetzt: Windows 7, Mac OS X 10.8, Android 4.4, Apple iPad mit iOS 8 oder ein Windows Tablet. Zu den persönlichen Lieblingen der Roon-Entwickler zählen der HP Envy Recline 23, das HTC Nexus 9 und das Microsoft Surface 3 bzw. Surface Pro.
Daraus ergeben sich drei verschiedene Anwendungsszenarien:
Die ersten Schritte sind schnell gemacht: Software installieren, Nutzerkennung eingeben und das Musikarchiv analysieren lassen. Der Scan-Vorgang nimmt je nach Umfang der Sammlung etwas Zeit in Anspruch, schließlich werden sämtliche Daten vom Computer, aus der iTunes-Bibliothek, von angeschlossenen USB-Speichern und von Netzwerkfestplatten abgegrast. Roon versteht sich mit jedem gängigen HD-Format: FLAC, WAV, ALAC bis 24 Bit / 384 Kilohertz sind alle kein Problem und auch das von der SACD bekannte Format DSD ist mit von der Partie.
Was das eigene Archiv nicht hergibt, holt man sich über Tidal rein – ein kostenpflichtiges Tidal-Abo vorausgesetzt. Deezer Elite könnte demnächst noch folgen, Qobuz steht derweil in den Sternen und Spotify ist aus Lizenzgründen ausgeschlossen.
Das Interface als solches erinnert an modernes iTunes, das es so noch nicht gibt, und hat nichts mit einer langweiligen Musikdatenbank gemein. Beim Software-Start wird die Anzahl der vorhandenen Alben, Titel, Künstler, Lyrics, Biografien und Bilder angezeigt. Im Auswahlmenü stehen verschiedene Filter-Möglichkeiten bereit.
Neben den altbekannten bietet Roon weitergehende Sortierungen an, die sich vor allem an Klassikfreunde richten. Musik lässt sich etwa nach Schaffensperioden, Katalognummern und musikalischen Formen wie Arien, Balladen, Ballet, Kantaten uvm. sortieren.
Klickt man auf einen Künstler, wird dieser mit Bild, einer ausführlichen Biografie, den Bandmitgliedern und jeder menge Weblinks angezeigt. Selbst Konzerte in der Nähe werden – falls vorhanden – aufgelistet und Songtexte parallel zur Wiedergabe eingeblendet. Die Daten stammen aus den Katalogen von All Music Guide, Gracenote, Musicbrainz, Rovi, Songkick und werden täglich aktualisiert.
Unter den Künstleralben aus der eigenen Bibliothek werden die noch fehlenden mittels Tidal ergänzt, woraus sich eine gemeinsame Wiedergabeliste erstellen lässt. Darauf folgt ein Empfehlungssystem mit internen Verlinkungen zu ähnlichen Künstlern, musikalischen Einflüssen, gemeinsamen Kooperationen und einigen mehr.
Das Empfehlungssystem funktioniert ausgesprochen gut und hat mir spannende Künstler-Verknüpfungen aufgezeigt. Auch die Integration von Tidal ist sehr gut gelungen und gefällt mir von der Bedienung besser als die eigentliche Tidal-App. Wer jedoch ausschließlich über den Musik-Streamingdienst hört und auf das Empfehlungssystem verzichten kann, kann sich hier das Geld für die Roon-Software sparen.
Spannender ist Roon für diejenigen mit einer umfangreichen Musiksammlung, die sie sauber und anschaulich aufbereitet kategorisieren wollen und gerne darin verweile und stöbern – ganz so wie früher im Plattenladen.
Rein optisch und von der Bedienbarkeit schlägt Roon andere Programme, wie Amarra, Audirvana oder PureMusic um weiten.
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