Lange dachte man, dass die Geschichte der Audiotechnologie mit Thomas Alva Edisons Aufnahme von „Mary had a Little Lamb“ von 1878 begonnen hatte. Aber Edisons Phonograph war nicht der erste Tonträger, der die menschliche Stimme festhielt. Eine 2008 entdeckte Aufnahme des Franzosen Édouard-Léon Scott de Martinville, der einen Vers aus dem französischen Volkslied „Au Clair de la Lune“ singt, entstand bereits 1860 und datiert die Geburtsstunde der Audiotechnologie damit um 18 Jahre zurück.
De Martinville machte die Aufnahme, und sogar noch frühere, leider nicht mehr rekonstruierbare, mit seiner eigenen Erfindung, dem Phonautographen, der Schallwellen transkribieren, aber nicht abspielen konnte. Edisons Phonograph war weiterentwickelt als der Phonautograph, da er Schall nicht nur auf einem mit Alufolie verpackten Zylinder aufnehmen, sondern auch abspielen konnte.
Der gebürtige Deutsche Emil Berliner hat das Aufnahmeverfahren für Schall dann weiter verbessert und meldete 1887 ein Patent für einen scheibenförmigen Tonträger und das dazu gehörige Aufnahme- und Abspielgerät namens Grammophon an. Die Schallplatte aus Schellack und später Vinyl war geboren und seither neben dem später entwickelten Tonband fast ein Jahrhundert lang der Standardmusikträger.
Die Audiotechnik zum Beginn der Schallplattenära war nicht nur monaural (oder „mono“), sondern auch low-fidelity. Während Mono-Aufnahmen für Sprache geeignet sind, werden sie der Tiefe und Breite von Musik und anderen komplexeren Klängen nicht gerecht. Dennoch war die monaurale Aufnahme für die damalige Zeit revolutionär und sorgte für mehr Klang im Leben.
Im frühen 20. Jahrhundert waren alle Filme stumm, der Dialog wurde durch Gesten und Schrifteinblendungen vermittelt. Der erste Tonspielfilm, „The Jazz Singer“, debütierte 1927 in den USA. Die Kinobesucher waren begeistert und machten den Film (deutscher Titel: “Der Jazzsänger“) zu einem großen kommerziellen Erfolg.
Der Tonfilm wurde zum großen Renner, hatte aber noch einen weiten Weg vor sich. 1931 war der englische Elektronikingenieur Alan Blumlein nach einem Kinobesuch unzufrieden damit, dass der Ton zum Film nur über einen Lautsprecher im Raum zu hören war. Als Lösung für dieses Problem erfand er das Prinzip der Audio-Stereoanlage, die in ihrem Grundprinzip heute noch im Einsatz ist.
In den 1940er Jahren begannen Künstler wie Les Paul mit Mehrspuraufnahmen zu experimentieren und ebneten den Weg für die Entwicklung von 4- und 8-Spurtonbändern und -rekordern. 1949 kam – von Crown – das erste Tonbandgerät mit integrierter Endstufe auf den Markt. Damit standen mit Schallplatte und Tonband zwei analoge Aufnahme- und Abspieltechnologien zur Verfügung.
Ab 1963 wurden die klassischen Tonbänder einschließlich des ab 1964 erhältlichen 8-Track-Tapes zunehmend von der von Lou Ottens bei Philips entwickelten Kompaktkassette abgelöst, die auf der bereits in den 1930er Jahren in den USA und Deutschland entwickelten Magnetbandaufnahmetechnik basierte. Aufgrund ihrer robusten und einfachen Konstruktion hat die Kassette bis heute in Nischen (Mixtapes, Indie-Szene) sowie in Schwellen- und Entwicklungsländern überlebt.
Nachdem Schallplatten und Kassetten viele Jahre den Tonträgermarkt dominiert hatten, kam es in den 1980er Jahren des letzten Jahrhunderts durch die Einführung der Compact Disc – bei deren Entwicklung wiederum auch Lou Ottens beteiligt war – zu einem Paradigmenwechsel in der Audiowelt. Erstmals wurden mittels optischer Lasertechnologie digitale Audiosignale aufgenommen und wiedergegeben. Nur drei Jahre nach Erscheinen der ersten Titel im Jahr 1982 wurden bereits eine Million CD-Player verkauft.
Bereits in den 1990er Jahren kam mit dem unter Federführung von Karlheinz Brandenburg am Fraunhofer-Institut in Erlangen entwickelten MPEG-Audio-Layer-III-Format, kurz MP3, der nächste digitale Audio-Meilenstein. Die MP3-komprimierten digitalen Audiodateien speichern nur die für den Menschen hörbaren Anteile eines Tonsignals und reduzieren so die Datenmenge erheblich. Sie sind aus einem in der Musik-Branche verbreiteten Wunsch nach Audiokodierungsstandards entstanden und ermöglichen eine einfache und qualitativ hochwertige Speicherung und Übertragung.
Vor allem das Wachstum des Internets und die Gründung von Musiktauschbörsen bildete in Verbindung mit Datenträgern wie dem iPod und später den Smartphones das Sprungbrett für MP3 und etablierte das Format schließlich als bis heute unangefochtenen Standard für Online-Musik, vom Download über das Filesharing bis hin zur neuesten Form des Musikkonsums, Streaming. Durch die Einführung von 5G und die damit verfügbaren großen Bandbreiten werden komprimierte Formate zukünftig allerdings wieder an Bedeutung verlieren, da Audiodateien vollständig und ohne Qualitätsverlust übertragen werden können.
Mit der Ablösung der analogen durch die digitalen Aufnahmetechnologien begann in der Musikindustrie die digitale Signalverarbeitung (Digital Signal Processing, DSP). Die Fortschritte in der Mikroelektronik ermöglichten es, die Signale einer digitalen Aufnahme auf verschiedene Weise zu manipulieren, etwa durch Herausfiltern von unerwünschtem Rauschen, Komprimieren des Signals für eine schnellere Übertragung und Erzeugen von Effekten, um den Klang von Musik zu formen und zu verbessern.
Parallel zu den technologischen Entwicklungen bei Aufnahme, Speicherung und Wiedergabe zeigte sich schnell, dass Menschen ihre Musik möglichst ungebunden genießen wollten. Wurde hier zunächst vielleicht nur mal gelegentlich der Plattenspieler auf die Veranda oder das Küchenradio aufs Fensterbrett gestellt, wurde später mit der Verfügbarkeit mobilerer und kleinerer Geräte Musik auch zunehmend Teil eines mobileren, ungebundenen Lebensstils.
Die Kompaktkassette und leistungsfähige Batterien ermöglichten dann die erste Blütezeit von speziell für den mobilen Lebensstil entwickelten Endgeräten. Die sogenannten Ghettoblaster prägten die Musik- und Straßenkultur der 1970er und 80er des letzten Jahrhunderts. Sie waren prägender Teil der Jugendkultur dieser Jahre und unter anderem auch für den Durchbruch von Hip-Hop und Breakdance verantwortlich.
Das vielleicht legendärste mobile Gerät dieser Zeit war jedoch der Walkman. Der erste hieß TPS-L2 und wurde am 01.07.1979 von Sony auf den Markt gebracht. Nur wenige Insider wissen allerdings, dass bereits zwei Jahre vorher der deutsche Erfinder Andreas Pavel ein entsprechendes Gerät zum Patent angemeldet hatte – was Sony nach einem langen Rechtsstreit erst 2004 anerkannte.
Das Prinzip des Walkmans blieb bis heute bestehen, allerdings änderte sich die Speichertechnologie. Auf den 1984 erschienenen Discman Sony D-50 folgten nach der Jahrtausendwende verschiedene MP3-Player, unter denen sich der iPod von Apple durchsetzen konnte. Obwohl MP3-Player noch nicht ganz aus dem Markt und dem mobilen Leben verschwunden sind, ist das Smartphone mittlerweile der mit Abstand wichtigste Begleiter des aktuellen musikalischen Lebensstils geworden.
Lange vor mobilen Endgeräten war das Auto der erste Ort für mobilen Musikgenuss und damit der Vorreiter in punkto mobiler Unterhaltung. Die ersten Autoradios waren bereits in den 1920er Jahren in Amerika und England als Zubehör für wenige ausgewählte Modelle erhältlich. In den 1940er und 1950er Jahren waren vor allem deutsche Hersteller wie Blaupunkt, Grundig und die Harman-Tochter Becker federführend bei der Entwicklung und zunehmenden Verbreitung von Autoradios.
In dieser Zeit entstanden die ersten vollständig in das Cockpit integrierten Radios (Blaupunkt, 1948), sowie Geräte mit Stationstasten (Becker Nürburg, 1951), LW-, KW- und UKW-Empfang (Blaupunkt 1952) und automatischem Sendersuchlauf im UKW-Bereich (Becker Mexico 1953). 1961 lieferte Philips das erste vollständig mit Transistoren bestückte Autoradio und legte 1968 mit dem ersten Radio mit eingebautem Kassettenspieler nach. 1969 kamen dann das erste Stereo-FM-Autoradio (Blaupunkt „Frankfurt Stereo“) sowie das erste Stereo-Kassettendeck (Becker „Mexiko Cassette“) auf den Markt. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte folgten dann Weiterentwicklungen in punkto Bedienkomfort (ARI, Autoreverse im Becker Mexiko Cassette von 1975), ehe 1985 mit dem Becker „Mexiko CD 860“ das erste Autoradio mit integriertem CD-Player herausgebracht wurde. Bereits 1984 war von JBL das erste OEM-Audiosystem in einem Auto (Lincoln Town Car) verbaut worden.
Von den 1990ern bis heute wurden die klassischen Autoradios durch Dienstleistungen wie RDS (Radio Data System) und TMC (Traffic Message Channel), neuen Formaten wie DAB und MP3 sowie Erweiterungen wie Internet, Navigation und DVD immer mehr zu Infotainment-Centern, die Fahrern und Passagieren mittlerweile eine Vielzahl von Unterhaltungs- sowie Fahrassistenzmöglichkeiten bieten.
Durch die Digitalisierung von Klanginhalten gewann in den späten 1990er Jahren DSP auch im Auto zunehmend an Bedeutung. 1997 läutet der Becker Traffic Star als erstes 1-DIN-Gerät mit Autoradio, CD-Player und Navigationssystem die neue Ära der Autoradio-Systeme ein. 2009 stellte Harman mit HALOsonic die weltweit erste Geräuschmanagement-Suite für Fahrzeuge vor, die das Hörerlebnis während der Autofahrt erheblich verbessert.
Mit seinen Geschäftsbereichen Professional Solutions und Lifestyle Audio, sowie seinem Portfolio mit 18 renommierten Audiomarken war und ist Harman ein wichtiger Wegbegleiter der bisherigen Musikgeschichte und setzte bei Technologien und Lösungen zur Aufnahme und Wiedergabe von Musik viele Meilensteine.
Douglas Shearer von MGM Studios und James B. Lansing, der spätere Gründer von JBL, entwickelten mit dem sogenannten Shearer Horn System in den 1930er Jahren die Grundlage für bahnbrechende Kino-Lautsprechersysteme. Das Shearer Horn System erhielt aufgrund seiner herausragenden Qualität und Bedeutung für die Industrie 1936 einen Oscar.
Auch das Radio wurde von Harman weiterentwickelt. 1953 brachte Harman Kardon den ersten FM-Tuner auf den Markt, dem es 1958 den ersten Stereo-Empfänger folgen ließ. Die Symbiose beider Entwicklungen war dann der 1961 von Scott entwickelte Stereo-FM-Empfänger Scott 350. 1953 entwickelte AKG das erste dynamische Nierenmikrofon der Welt, das D12, das aufgrund seiner klanglichen Qualität in sehr vielen Radiosendern, Theatern und Aufnahmestudios eingesetzt wurde und damit den damaligen Standard für Sprachübertragungen setzte.
Ein weiteres AKG-Mikrofon, das C12, wurde in den 1960er Jahren in den legendären Abbey Road Studios bei vielen Aufnahmen der Beatles eingesetzt. Ebenfalls in diesem Jahrzehnt hatte der legendäre Leo Fender den D130 Lautsprecher von JBL als den bevorzugten Lautsprecher für seine Verstärker geadelt, während Capitol Records, eine Tochter von EMI, sämtliche Aufnahmestudios mit JBL-Systemen ausstattete. 1969 war JBL außerdem der Lautsprecherausstatter des legendären ersten Woodstock-Festivals und in den 1970er Jahren an der Entwicklung und Ausstattung des „Wall of Sound“ der kalifornischen Rockband Grateful Dead beteiligt.
1983 entschied sich George Lucas bei der Entwicklung des ersten THX-zertifizierten Kinolautsprechersystems für JBL. Mit binauralen Produkten von AKG, die in der Raumstation Mir zum Einsatz kamen, erreichte Harman 1991 sogar den Weltraum.
Aber auch auf der Erde blieb Harman weiterhin Vorreiter in seinen Branchen und Märkten und entwickelte vielfältige Lösungen und Produkte für den aufkommenden mobilen Lebensstil des neuen Jahrtausends. Mittels der seit 2014 verfügbaren proprietären Harman-Softwarelösung Clari-Fi-Technologie können Audiodetails aus komprimierten Quelldateien wie MP3 wiederhergestellt werden.
Der 2016 vorgestellte Kopfhörer AKG N90Q (Test) passt sein Audiosignal individuell an den Aufbau des Gehörgangs des Nutzers an. Grundsätzlich gilt heutzutage: Ob smarte, vernetzte Lautsprecher für alle Lebenslagen oder Softwarelösungen für optimalen Klang in jeder Hörumgebung – Musikliebhaber jeden Alters verwenden in allen Lebenslagen Audiotechnologien und vernetzte Lösungen von Harman, wenn sie im Studio, auf der Bühne, zuhause oder unterwegs Wert auf legendäre Klangqualität legen.
Nach einer faszinierenden und vielschichtigen Evolutionsgeschichte wird Musik heute zunehmend digitalisiert und individuell konsumiert. Gestützt auf große Mobilfunkbandbreiten sowie intelligente Verbindungstechnologien wie Bluetooth und Wi-Fi sorgen mobile Endgeräte in Verbindung mit intelligent vernetzten Peripheriegeräten an nahezu jedem Ort und angepasst an jeden Lebensstil für uneingeschränkten Musikgenuss in höchster Form.
Dank dem Internet der Dinge (Internet of Things) und intelligenten Audiolösungen wie „Streaming on Demand“ und Musikbibliotheken aus der Cloud verschwinden die bisherigen technologischen Grenzen des Musikkonsums und sorgen für ein einziges, ganzheitliches Erleben und Teilen von Musik – egal, ob zu Hause oder unterwegs.
Aber obwohl sich die Klanglandschaft und die Nutzung von Audioinhalten seit den technologischen Anfängen rund um das erwachende 20. Jahrhundert erheblich gewandelt haben, ist ihre Faszination und Bedeutung für den Lebensalltag der Menschen bis heute gleichgeblieben. Die Fähigkeit von Musik und Klang, uns den Atem zu rauben und unser Leben zu bereichern, ist nach wie vor ungebrochen.
Das Hörerlebnis, das uns zukünftig erwartet, wird mit Sicherheit noch vernetzter, ganzheitlicher, personalisierter, intuitiver und eindringlicher sein als bisher. Technologien und Produkte der Zukunft werden sich dabei immer mehr innerhalb eines musikalischen Ökosystems bewegen, in dessen Zentrum Digitalisierung, Konnektivität, Personalisierung und Mobilität stehen.
Autor: Michael Mauser, President Lifestyle Audio bei Harman International
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