Verstärker im Kompaktformat sind eine Spezialität von NAD. Die Minis kommen mit teils unterschiedlichen Funktionen für verschiedene Anwendungen und gefallen im Preis und Klang (siehe NAD D 3045 Test, NAD Amp 1 und NAD D 3020)
Jetzt legen die Kanadier mit dem Stereo-Vollverstärker NAD M10 eine große Schippe drauf: immer noch kompakt, mit einem Riesendisplay, eine ganze Ecke teurer, dafür mit Premiumendstufen und so vielen Funktionen, die den vorhandenen Gerätepark wegrationalisieren (und wahrscheinlich um viel Neues ergänzen).
Ein paar Beispiele gefällig? Auf der Habenseite stehen Airplay 2, Bluetooth aptX HD und zahlreiche Streamingdienste via Bluesound, HDMI mit eARC-Anschluss für den Fernseher und Dirac zur Optimierung der Raumakustik. Ist das überhaupt noch ein Verstärker?
Ein klares ja, denn der NAD M10 kommt mit nCore-Hybrid-Digitalendstufen. Vorteil: Die Class-D-Verstärker sind nicht besonders spannungshungrig und benötigen keine großen Kühlrippen. Das hält den Amp schön kompakt (21,5 x 10 x 26 cm) und mit 5 Kilogramm Gewicht angenehm leicht.
Das Gehäuse besteht aus gebürstetem Aluminium mit beleuchtetem Markenlogo auf dem aus Glas gefertigten Deckel. Eine hochwertige Verarbeitung mit abgerundeten Ecken unterstreicht den Premiumcharakter, den der Verstärker zweifellos ausstrahlt.
Als wäre ein 8-Zoll-Display (20 cm) nicht genug, der Bildschirm besteht wie bei aktuellen Smartphones aus gehärtetem Gorillaglas und ist genauso berührungsempfindlich. Dazu einfach Streichen oder Tippen, um durch das Menü zu scrollen – die typischen Bewegungsabläufe eben.
Für jeden Eingang lässt sich die Darstellung auf dem Display definieren, etwa zwei große VU-Meter für den Analogeingang und Albencover mit Zusatzinfos beim Audiostreaming.
Eine Fernbedienung oder Hardware-Tasten gibt es nicht. Die Bedienung erfolgt zunächst am Display oder über die BluOS-Smartphone/Tablet-App. Der NAD M10 lernt aber auch Infrarotsignale handelsüblicher Fernbedienungen. Außerdem bietet die Schwestermarke Bluesound mit der RC1 eine spezialisierte Lösung mit aufgelegten Presettasten an.
Liebgewonnene HiFi-Geräte docken am Rücken des NAD-Verstärkers an zwei analogen Cinch-Eingängen und drei Digitalzugängen (HDMI, Koax, TOSLINK) an. Hier denke ich als Erstes an einen Phonovorverstärker für Plattenspieler – so ziemlich die einzige „Funktion“, die der NAD M10 nicht bietet.
Besonders praxisrelevant ist der HDMI-Anschluss mit eARC-Kanal (Enhanced Audio Return Channel), der den Ton vom Smart-TV in voller Bandbreite empfängt. Um den TV-Abend rund zu machen, bringt der Verstärker noch Anschlüsse für bis zu zwei Subwoofer mit. Ein Vorverstärkerausgang rundet das Paket ab.
Praktisch: Dank Auto-Sense wechselt der M10 automatisch zur aktuellen Wiedergabequelle. Die Funktion steht für jeden Eingang (inklusive LAN, WLAN, USB) bereit.
Mit der Integration des Multiroom-Systems BluOS treibt der Hersteller das Angebot an Wiedergabemöglichkeiten auf die Spitze. Nicht nur, dass der Verstärker Musik von Netzwerkfestplatten (per SMB-Freigabe), Internetradiosendern und Streamingdiensten in HD-Auflösung inkl. MQA empfängt, er gibt sie auch bereitwillig an kompatible Produkte von z.B. Bluesound, Dali und NAD weiter. Wer das System ausreizen mag, darf bis zu 64 Geräte im Netzwerk betreiben.
Die BluOS-App legt alle Funktionen auf drei Bildschirmen in die Hand. Links die Musikauswahl, in der Mitte die aktuelle Wiedergabe und rechts die vorhandenen BluOS-Produkte im Netzwerk – alles schön übersichtlich und intuitiv erreichbar. In der App lassen sie auch einzelne BluOS-Geräte koppeln und verschiedene Wiedergabezonen bestimmen.
2-Wege-Bluetooth aptX HD (der M10 empfängt Bluetooth-Signale und sendet sie an Bluetooth-Kopfhörer/Lautsprecher weiter), Apple Airplay 2 und das geniale, wie auch kostspielige Musikprogramm Roon runden das Streaming-Angebot ab.
Mit dem M10 bedient NAD nicht nur alle erdenklichen Wiedergabemöglichkeiten, sondern sorgt sich auch noch um den guten Ton. Das gelingt durch das Zusammenspiel verschiedener Zutaten. Dazu gehören die Hybrid-Digitalendstufen „nCore“ von den Niederländern Hypex, die eigentlich in weitaus teureren Komponenten Verwendung finden.
Diese stellen unabhängig der Impedanz der Lautsprecher kontinuierlich 100 Watt Leistung bereit. Bei einer 8 Ohm Last erreicht der Verstärker einen Spitzenwert von 160 Watt, der sich bei 4 Ohm auf bis zu 300 Watt erhöht. Das reicht aus, um ein komplettes Haus zu beschallen, und das aus einem Verstärker dieser Größe…
Auch auf dem Weg zu den Endstufen hat NAD nicht gespart. Auf der blau gefärbten NAD-Platine sitzt ein „ESS Techchnology ES9028Pro Sabre“ als D/A-Wandlerchip, der im M10 die Wiedergabe von Audioformaten mit einer Auflösung bis zu 24 Bit und 192 Kilohertz (kHz) unterstützt.
Seine Rechenleistung erhält der Verstärker von einem 1-GHz-ARM-Cortex-A9-Prozessor, der hier unter Linux läuft. Das nur zur Info, denn in der Praxis bekommt man vom Betriebssystem nichts mit.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Sagt man. Der Wald, hier der Hörraum, ist der größte Störfaktor auf dem Weg zum perfekten Klang. Das wissen auch die Kanadier und statten den NAD M10 mit einem System zur akustischen Raumanpassung aus.
Das ist Dirac Live 2.x in einer abgespeckten LE-Version, die Frequenzgang-Messungen auf einen Bereich von 20 Hertz (Hz) bis 500 Hz begrenzt. Wir haben die volle Dirac-Lizenz im Einsatz, die es für rund 90 Euro direkt beim Anbieter gibt und unter anderem den Messbereich auf 20 kHz ausweitet.
Aber schon die Free-Version bringt einen deutlichen Mehrwert, da sich raumakustische Verschiebungen gerne im Bassbereich ausbreiten. Bevor wir starten, installieren wir die Software auf einem Computer und schließen das mit dem M10 mitgelieferte Messmikrofon an.
Bis zu 13 Messpunkte an verschiedenen Position rund um den Hörplatz lassen sich erstellen. Die Erfahrung zeigt: je mehr, desto genauer. Der NAD M10 bietet fünf Speicherplätze für verschiedene Filterkurven.
So können wir neben der vorgeschlagenen Dirac-Zielkurve noch weitere Filter – etwa für bestimmte Musikgenres oder für explosive Filmabende – erstellen. Die ermittelte Zielkurve lässt sich in der Software einfach anpassen und in den Audioeinstellungen der BluOS-App anwählen.
Nach ein wenig Experimentieren und Feinjustieren haben wir mit dem NAD M10 die perfekte Dirac-Kurve für unseren Hörraum erstellt. Viel Anpassung war gar nicht nötig, doch die kleinen Feinheiten machen den Unterschied. Dabei bezieht Dirac auch immer den Lautsprecher mit ein. Wer also verschiedene Set-ups hat, sollte am besten auch verschiedene Filterkurven anlegen.
Schon Out-of-the-Box macht der NAD-Verstärker einen kraftvollen und kontrollierten Eindruck. Dabei beherrscht er auch anspruchsvolle Lautsprecher souverän und gibt konstant und bei Dynamikspitzen vor allem schnell Leistung ab.
Mit der passenden Filterkurve geht es an die Details: Der Raum wirkt tief und unendlich breit, Instrumente und Stimmen klingen realistisch und die Gesamtperformance spielt fesselnd und straff. Ohne Dirac fehlt einfach was.
Unterm Strich liefert der M10 eine ideale Ausgangslage, um mit verschiedenen Klangsettings zu experimentieren. Für Filme haben wir ein Preset erstellt, dass die Bühne weit öffnet, Details aus den Lautsprechern perlen lässt und eine ordentliche Portion Bass bei actionreichen Szenen in den Raum drückt.
Für ernste Musik ist unsere Kurve nahezu flach, um Musiker naturgetreu auf die Bühne zu stellen. Elektro profitiert dagegen von ein bisschen weniger Bass und einer leicht engeren Bühne, was die Straffheit von Kick-Impulsen nochmal erhöht. So lässt sich auch der Klangcharakter unterschiedlicher Lautsprecher einfach ausloten.
All das macht den NAD M10 nicht nur zu einem Mittel zum Zweck, sondern genauso zum Spielzeug für Erwachsene. Natürlich kann man den kompletten Dirac-Prozess auch überspringen und erhält ohne weitere Anpassung einen hervorragenden Verstärker. Meiner Meinung verschenkt man so aber einen Teil des Spaßfaktors.
Der M10 ist so viel mehr als ein Verstärker und ein Paradebeispiel dafür, wie HiFi in Zukunft aussehen kann. War All-in-One früher teils verpönt zeigt NAD allen Kritikern, wie man es richtig macht. Selbst die Form rennt hier nicht der Funktion hinterher. Ein nahezu perfektes Gerät zum angemessenen Preis, das den Spaß an HiFi neu entfacht.
NAD M10 Preis: 2.929 Euro
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