Der AKG N90Q ist kein gewöhnlicher Kopfhörer – während normale Modelle mit einer analogen HiFi-Anlage vergleichbar sind, ist der N90Q eine voll ausgestattete Medienzentrale. Der Kopfhörer kommt mit eingebautem USB-DAC, aktiver Geräuschunterdrückung und einer Klang-zu-Ohr-Anpassung namens „TrueNote“.
Dafür hat er auf jeder Hörerseite zwei Mikrofone eingebaut, die die Ohr-Geometrie auf die Hörermuscheln anpasst. Auf Knopfdruck starten kurze Mess-Sequenzen, ähnlich wie man sie von der Raumeinmessung eines AV-Receivers kennt. Die Mikrofone ermitteln die Laufzeitverzögerung und Pegeldifferenzen und passen den Klang entsprechend an. Und tatsächlich klingt der Over-Ear nach erfolgreicher DSP-Korrektur noch griffiger und direkter. Die Technik soll in Zukunft auch in weiteren AKG-Kopfhörern zum Einsatz kommen.
Damit die akustische Perfektion keinen Störgeräuschen ausgesetzt wird, riegelt der AKG N90Q mit Active Noise Cancelling vor ungewolltem Umgebungslärm ab. Die Geräuschunterdrückung funktioniert ebenfalls erstaunlich gut und braucht sich nicht vor der immer größer werdenden Konkurrenz von Bose, Sony oder Sennheiser verstecken.
Straßenlärm wurde im Test auf ein Minimum herabgesenkt und in der S-Bahn war von umgebenen Gesprächen nichts mehr mitzubekommen. Positiv fällt auch die passive Geräuschunterdrückung aus, dank eines mittleren Anpressdrucks und großen ohrumschließenden Hörermuscheln.
Die einzige Frage, die sich dabei stellt, ist, ob man den Kopfhörer für einen Preis von rund 1500 Euro wirklich auf der Straße tragen will. Wer sich nicht mit Verlustängsten plagt, bekommt mit dem 32-Ohm-Kopfhörer ein umfangreiches Zubehörpaket für den mobilen Einsatz.
Weil der AKG N90Q kein Bluetooth beherrscht, gibt es neben einem stoffummantelten 3-Meter-Kabel noch jeweils eine Strippe für Android- und iOS-Geräte inklusive Kabelfernbedienung und Freisprecheinrichtung. Auch die funktioniert im Vergleich vieler Mitbewerber erstaunlich gut und übermittelt Sprachanrufe klar und verständlich.
Die vierte Anschlussart gelingt per USB-Verbindung, um Musik direkt vom Computer mit einer Auflösung von bis zu 24 Bit und 96 Kilohertz (kHz) zu hören. Spezielle Audio-Treiber sind dafür nicht nötig, sowohl Macs wie auch PCs kommen damit schon von Haus aus zurecht. Im Test an einem MacBook Air wurde der AKG N90Q problemlos als externer D/A-Wandler erkannt und war direkt einsatzbereit.
Anders verhält es sich am neuen iPhone 7, das bekanntlich auf die klassische 3,5-Millimeter-Buchse verzichtet. Hier ist der Lieferumfang des AKG N90Q nicht mehr auf dem neuesten Stand, denn das mitgelieferte Kabel für iOS-Geräte ist beidseitig mit einer Mini-Klinke versehen.
Auch der Umweg über den Camera-Connection-Kit-Adapter führte nicht zum erhofften Erfolg. Mit der System-Nachricht „das angeschlossene Gerät benötigt zu viel Strom“ wurde ich von meinem iPhone abgewiesen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als den neuen Kopfhörer-Adapter von Apple zu verwenden und damit auf den USB-DAC des AKGs zu verzichten. Später im Test werde ich noch zwei mobile Kopfhörerverstärker mit dem AKG ausprobieren.
In puncto Akkulaufzeit bringt es der AKG N90Q auf sehr ordentliche 15 Stunden Spielzeit im Mittel. Da der Kopfhörer mit leerem Akku keine Töne von sich geben mag, liegt der goldfarbenen Aufbewahrungsbox aus Metall ein Akku-Pack für zwei weitere Lade-Zyklen bei.
Neben den vielen Innovationen punktet der AKG N90Q auch auf klassischer Ebene mit dynamischen 52-Millimeter-Treibern und leicht versetzten Membranen aus japanischem Papier. Die Ohrmuscheln bestehen aus Leder-bezogenem Memory-Schaum, die Reflexionen abmildern sollen.
Auch das Kopfband kommt mit Lederüberzug und liegt angenehm sanft auf. Die 460 Gramm fallen weniger ins Gewicht als zunächst gedacht und der mittelstarke Anpressdruck sorgt für einen verwackelungsfreien Sitz.
Während es bei normalen Kopfhörern „aufsetzen und loslegen“ heißt, gilt es beim AKG N90Q zunächst die richtige Einstellung zu finden. Per Knopfdruck auf der rechten Hörerseite starte ich die Ohreinmessung, die als Pflichtprogramm für den Kopfhörer zu sehen ist. Ein weiterer Tastendruck aktiviert die Raumeinstellung, die von „Standard“ über „2.1 Studio“ bis „5.1 Surround Sound“ reicht. Statt großer Kirche liefert der Over-Ear-Kopfhörer eher einen milden Raumeffekt, der trockenen Musik-Titeln durchaus noch etwas Leben einhauchen kann.
Über zwei großflächige Drehregler an den Ohrmuscheln wird einerseits die Lautstärke verstellt und andererseits der Klangcharakter angepasst – von neutral bis Bass- und Höhenbetont oder bedämpft. Die Auswahl wird akustisch bestätigt, die Tonhöhe gibt Auskunft über die aktuelle EQ-Position.
Den Hörtest starte ich direkt am Computer via USB und wähle den AKG N90Q in der Roon-Software als Wiedergabezone aus. Ich beginne mit der 24-Bit/96-kHz-Version des Muse Albums „The 2nd Law“, die durch ihre starke Kompression häufig in unschöne Schärfen umschlägt. Nicht jedoch beim AKG N90Q, der gesampelte Claps, Schlagzeug-Becken und Vocals zügelt und damit sehr neutral und sauber klingt.
Slap-Bass-Einlagen klingen impulsiv, straff und mit ausreichend Druck, ohne übertriebenen Bass-Orgien zu verfallen. Den ausufernden Synthie-Flächen stehen auch die Raumprogramme des AKG-Kopfhörers gut zu Gesicht. Der Standard-Modus mit akustischer Ohranpassung klingt er allerdings noch direkter und ist deshalb meine bevorzugte Wahl.
Auch David Bowies Stimme klingt auf dem Album „Blackstar“ – ebenfalls in 24 Bit / 96 kHz – sehr natürlich, ohne Verfärbungen oder nicht gewollten Aggressionen. Instrumente erklingen mit schöner Detailauflösung, auch wenn manche hochpreisige Konkurrenz wie etwa der Sennheiser HD 800 noch offener und detailverliebter klingt.
Der AKG N90Q ist trotz aller Technik-Spielereien ein ernsthaftes Arbeitswerkzeug, das aufgrund seiner Nüchternheit auch im professionellen Tonstudio Verwendung finden könnte. Seine dynamischen Fähigkeiten stellt der AKG auch in Rachmaninoffs sinfonischen Tänzen unter Beweis, in denen er große Kesselpauken straff mit viel Tiefgang reproduziert, während Triangeln mit ihrer Feindynamik glänzen.
Über den Kopfhörerausgang am Macbook Air verliert der AKG im Vergleich etwas an Abbildungsschärfe und Tiefgang und neigt zu leichter Präsenzbetonung. Am Computer ist damit eindeutig der verbaute USB-DAC im Kopfhörer empfohlen. Für unterwegs am Smartphone darf es gerne noch ein zusätzlicher Kopfhörerverstärker wie ein Audioquest Dragonfly Black oder ein Chord Mojo sein. Mit beiden Geräten harmonierte der AKG zweifellos und brachte den Anspruch größtmöglicher Neutralität auch unterwegs auf die Ohren.
Wer beim N90Q an ein Technikspielzeug denkt, hat sich getäuscht. Der Over-Ear zählt zu den am besten ausgestatteten Kopfhörern auf dem Markt und überzeugt klanglich mit gewohnt neutraler AKG-Studio-Qualität. Die Ohr-Einmessung, das Noise-Cancelling und die verschiedenen Klang-Modi überzeugen, nur die Steuerung könnte noch etwas intuitiver sein. Wer den bestmöglichen Klang für seinen Mobilplayer sucht, wird mit dem N90Q nicht enttäuscht.
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